Erkundungsbohrungen des Zementwerks

Stellungnahme der SPD-Fraktion vom 7. Juni 2021

Stellungnahme der SPD-Fraktion zu TOP 2 „Zementwerk Wössingen, Antrag
auf Erkundungsbohrungen im gemeindeeigenen Wald“ am 7. Juni 2021
Wir behandeln heute nur die elf geplanten und für den Wald recht harmlosen
Erkundungsbohrungen im gemeindeeigenen Wald, allerdings haben wir bei unserer Abwägung bereits den nachfolgenden Schritt betrachtet. Sollte das Ergebnis der Gesteinsprüfungen nach den Erkundungsbohrungen positiv ausfallen, müssten wir entscheiden, ob wir der Inanspruchnahme unseres Waldes als Abbaugebiet für das Zementwerk mittels Verpachtung an das Werk zustimmen. Möglicherweise bedeutet ein „Ja“ zu den Erkundungsbohrungen, dass der Wald ohne eine weitere Anfrage bei der Gemeinde in den Regionalplan aufgenommen wird. Und dann hätten wir es vielleicht nicht mehr in der Hand, eigenverantwortlich über die Inanspruchnahme unseres Waldes zu entscheiden.


Daher betrachten wir in unserer Stellungnahme nicht nur die in Frage stehenden
Bohrungen, sondern die Entscheidung darüber, ob in einigen Jahren der Wald in den Gewannen Grundreisig und Sulzweg gerodet werden und dem Zementwerk als Abbaugebiet zur Verfügung stehen darf.


Vorausschicken wollen wir, dass wir uns sehr bewusst sind, dass die heutige
Entscheidung für das Zementwerk sehr weitreichend und auch existenziell ist und
damit auch für die Gemeinde Walzbachtal ein folgenschwerer Beschluss darstellt, in der das Werk seit mehr als 70 Jahren angesiedelt ist.


Wir treffen heute also für die Gemeinde Walzbachtal und das Zementwerk eine sehr wichtige und schwierige Entscheidung, die wir uns nicht leicht gemacht haben. Wir haben viele Punkte, die wir noch ansprechen werden, gegeneinander abgewogen.
Dazu haben wir im Vorfeld möglichst viele Informationen eingeholt. So hat der
Gemeinderat auf die Bitte der SPD-Fraktion hin sowohl den betroffenen Wald als
auch den alten Steinbruch Böhnlich und den aktuellen Steinbruch Lugenberg
besichtigt. Wir haben uns vor Ort ein Bild von den Renaturierungsmaßnahmen
gemacht. Neben der Präsentation des Zementwerks im Gemeinderat über ihre
Planungen am 23. März haben wir vor einer Woche im Rahmen einer SPD-
Fraktionssitzung ein weiteres Gespräch mit Werkleiter Herrn Schenk und Herrn
Heimburg, Leiter Umwelt und Öffentlichkeitsarbeit, geführt.


Wir haben bei unserer Entscheidungsfindung sehr viele Aspekte betrachtet.
Beginnen wollen wir mit den Aspekten, die für eine Genehmigung der
Inanspruchnahme der Waldflächen als Abbaugebiet für das Zementwerk sprechen:


Zukunft und Existenz des Zementwerks:
Das Werk existiert seit mehr als 70 Jahren in Wössingen. Es liefert in die nähere
Umgebung den notwendigen Baustoff Zement, damit werden längere Transporte von entfernteren Zementwerken vermieden.
Das Zementwerk Wössingen ist eines der modernsten Werke in Europa, d.h. dort, wo
auch immer dann der fehlende Zement produziert wird, werden beim
Produktionsprozess mehr Emissionen freigesetzt als es in Wössingen der Fall wäre.


Arbeitsplätze:
Im Werk Wössingen sind 119 Mitarbeitende beschäftigt. Sollten wir heute die für die langfristige Zukunft des Werks wichtige Entscheidung ablehnen, bedeutet das aber nicht, dass morgen das Werk schließen muss. Der Steinbruch Lugenberg kann nach Auskunft des Werks noch mindestens 20-25 Jahre betrieben werden. Ob dann eine weitere Erweiterungsfläche im Anschluss abgebaut werden kann, hängt unter anderem davon ab, ob die privaten Eigentümer dem Verkauf der Flächen an das Zementwerk zustimmen. Sollte der Erwerb dem Werk gelingen und die Fläche im Regionalplan aufgenommen werden, bedeutet das für das Zementwerk eine Abbaufläche für weitere ca. 8 Jahre. Und auch danach existiert das Werk erst einmal weiter, beispielsweise für die Renaturierung des Steinbruchs.


Investitionen in Umweltschutz:
Das Werk teilt mit, dass Investitionen in Umweltschutz, die über das gesetzlich
notwendige Maß hinausgehen, leichter vom Konzern genehmigt würden, wenn eine sehr langfristige Zukunft des Werks in Wössingen gegeben ist.
Wir wurden unterrichtet, dass im Februar 2022 geplant ist, einen Betrag in
Millionenhöhe in einen neuen Staubfilter zu investieren.


Einnahmen der Gemeinde:
Das Zementwerk gehört zu den größten Gewerbesteuerzahlern Walzbachtals.
Sollten wir erwägen, den Wald an das Werk als weiteren Steinbruch zu verpachten, könnte die Gemeinde in ca. 20 – 25 Jahren zusätzlich jährliche Pachteinnahmen in nicht unerheblicher Höhe erzielen. Diese Einnahmen täten der Gemeinde, die strukturschwach ist, sehr gut.


Neben diesen Argumenten für die Verpachtung unseres Waldes an das Werk gibt es aber auch viele Punkte, die dagegensprechen.


Das Werk ist in Walzbachtal, insbesondere im betroffenen Ortsteil Wössingen,
höchst umstritten und wird von vielen Bewohnern aufgrund der Emissionen, des
Lärms und des Eingriffs in die Landschaft sehr kritisch betrachtet.


Das Zementwerk weiß, dass auch die SPD-Fraktion das Werk sehr kritisch sieht. Seit vielen Jahren nimmt die SPD-Fraktion die Vorstellung des jährlichen
Emissionsberichts des Zementwerks zum Anlass und thematisiert die Problematiken zum Zementwerk. Wir erheben immer mahnend unsere Stimme und legen dar, dass es uns nicht reicht, wenn die Grenzwerte nur eingehalten werden, wir wollen, dass mehr zum Schutz der Menschen und der Umwelt getan wird.


Nun zu den Aspekten im Einzelnen, die unseres Erachtens gegen die
Inanspruchnahme unseres Waldes sprechen.


großer Eingriff in Natur und Landschaft:
Eingriffe in die Natur und Landschaft sind alle Veränderungen, die der Natur oder der Landschaft Schaden zufügen können. Das Landschaftsbild der Gemeinde wird durch den Eingriff in die Natur erheblich verändert. Der Wald würde gerodet werden und es würde ein großes tiefes Abbaugebiet entstehen an Stelle des derzeitigen Naherholungsgebiets.
Der Wald geht den Einwohnern Walzbachtals verloren. Der große Mischwald ist laut Auskunft unseres Försters bei der Begehung vor einigen Wochen intakt und in einem guten Zustand.

Die betreffenden Flächen liegen in der Nähe des Flächenhaften Naturdenkmals
Hungerquelle mit dem Landschaftsschutzgebiet Waldwiesen und des Flächenhaften Naturdenkmals Lausquelle. Möglicherweise kann das Abbaugebiet auch ein FFH-Gebiet tangieren, was artenschutzrelevante Problematiken hat. Ein
Wasserschutzgebiet liegt unmittelbar angrenzend an die Probebohrungen im Wald der Gemarkung Grundreisig. Schließlich liegen die Probebohrungen in der Nähe von archäologischen Gräbern.


Kilometerlange Förderbandstraße:
Das Werk plant ein Förderband von der neuen Abbaufläche zum Werk. Auch wenn ein solcher Transport des Gesteins natürlich besser ist als mittels LKW-Verkehr, stellt ein Förderband doch eine erhebliche Beeinträchtigung des  Landschaftsbilds dar.
Zudem handelt es sich bei der in Frage kommenden Fläche zwischen Wald und
Werk um ein Landschaftsschutzgebiet. Ob das Förderband unter der Erde verlaufen kann, wurde noch nicht näher untersucht und kann daher nicht vorausgesetzt werden.


Wald als CO2-Speicher und Naherholungsgebiet:
Bäume sind enorm wichtige Kohlendioxidspeicher. Ihre Zerstörung trägt maßgeblich zur globalen Erderwärmung bei. Dem Argument, dass rekultiviert wird, muss entgegengehalten werden, dass ein neu gepflanzter Wald Jahrzehnte braucht, bis er eine nennenswerte Menge an CO2 aufnehmen und Kohlendioxid einlagern kann.
Es ist in unseren Augen schon widersinnig, wenn der Wald, in dem die Stoffe, die
das Zementwerk emittiert und zu einem großen Teil in diesem Wald gespeichert und sogar umgewandelt werden, gerodet wird, um an den darunter liegenden
Muschelkalk zu gelangen. So wird das CO2, das dort gebunden ist, wieder
freigesetzt. Und das alles für ein Werk, bei dessen Betrieb eine unvergleichbar große Menge CO2 freigesetzt wird.
Wälder erfüllen neben der Funktion als CO2-Speicher weitere Aufgaben. Sie
regulieren das Klima, speichern CO2, sorgen für Frischluftzufuhr, dienen der
Naherholung und bieten einen wichtigen Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren
und Insekten, deren Existenz auf Grund des Artensterbens zunehmend wichtiger
wird.
Es muss auch die Tatsache bedacht werden, dass eine Aufforstung, zu der das
Zementwerk verpflichtet werden würde, viele Jahre dauert. Bis sich das tatsächliche
Ökosystem Wald wiederherstellen lässt, vergehen mehrere Jahrzehnte.


Emissionen des Zementwerks:
Neben Kohlendioxid, Staub, Stickoxiden und Quecksilber gibt es viele weitere Stoffe, die beim Verbrennungsprozess entweder aufgrund des Muschelkalks selbst oder durch den Brennstoff freigesetzt werden. Auch wenn die Halbstunden- und Tagesgrenzwerte seit Jahren fast immer zu 100 % eingehalten werden, ist allen klar, dass für die Umwelt und den Menschen schädliche Stoffe freigesetzt werden. Auch wenn es sich wahrscheinlich um eines der umweltfreundlichsten Zementwerke Deutschlands mit der besten Technik handelt, emittiert das Werk Schadstoffe, die gefährlich sind.


Ausgleichsflächen:
Ein Aspekt, über den bisher wenig berichtet wurde, sind die für die Inanspruchnahme des Walds notwendigen Ausgleichsflächen. Diese müssen mindestens so groß sein wie der Wald selbst, der gerodet wird. Aber wo finden sich diese Flächen? Sicher nicht in Walzbachtal in dieser Größe! Laut Auskunft des Werks können Flächen bis Heilbronn zum Ausgleich herangezogen werden. Aber was hat die Gemeinde davon, wenn bei uns ein Wald fällt, aber weit weg von uns Gebiete ökologisch aufgewertet oder aufgeforstet werden.
Flächen sind leider endlich! Und jede Gemeinde hat es schwer, bei Ausweisung von neuen Baugebieten solche zu finden. Und wen trifft oft eine Aufwertung von
Gebieten? Die Landwirtschaft, der dann wieder Flächen entzogen werden!


Lärm:
Im Vorfeld dieser Entscheidung haben die Mitglieder der SPD-Fraktion mit vielen
Einwohnerinnen und Einwohnern Walzbachtals gesprochen. Neben den Emissionen und dem Landschaftsverbrauch wurde auch immer der Lärm kritisiert. Der Betrieb des Ofens verursacht 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche einen Lärm, der je nach Windrichtung in ganz Wössingen zu hören ist. Wir haben uns gefreut, als der Werkleiter Herr Schenk uns letzten Montag bei dem Besuch unserer Fraktionssitzung mitgeteilt hat, dass jetzt Lärmmessungen in Wössingen stattfinden sollen, um Maßnahmen zur Lärmminderung planen zu können. Aber eine Frage darf erlaubt sein: Warum soll das jetzt erst passieren? Besteht hier ein Zusammenhang mit dem Antrag auf Erkundungsbohrungen? Möglicherweise ist die Antwort darin zu finden, dass, wie Herr Schenk letzten Montag ausführte, es hier um eine Frage der Höhe der Investitionen geht.


Wasserverbrauch des Werks bei zunehmender Wasserknappheit:
Wer die Sitzungen des Gemeinderats verfolgt, weiß, dass wir Gutachter beauftragt haben, die für die Gemeinde neue Wasservorkommen suchen müssen, da wir in einigen Jahren einen Mangel an Trinkwasser haben werden. Das Werk verbraucht allein 20 % der gesamten Wassermenge Walzbachtals.


Abhängigkeit von einem ausländischen Konzern:
Opterra gehört zur CRH-Gruppe, ein weltweit führendes Baustoffunternehmen mit
78.000 Mitarbeitenden an 3.100 Standorten in 31 Ländern, dessen Hauptsitz in Irland ist. Es sind daher bei hohen Investitionen in Umweltschutz und
Lärmminderungsmaßnahmen immer Gespräche mit dem Konzern in Irland
notwendig, auch wenn der Werkleiter Schenk glaubhaft versichert, gute Beziehungen zum Konzern zu haben und das Werk wegen seiner Vorbildfunktion beim Konzern positiv betrachtet wird. Wir haben anhand der Umsatzzahlen und der Mitarbeitenden eruiert, dass das Werk Wössingen im weltweit agierenden Konzern weniger als 1 % des Umsatzes ausmacht.


Renaturierung der Steinbrüche:
Zum alten Steinbruch Böhnlich ist anzumerken, dass seit der ersten Sprengung bis heute Dutzende von Jahren ins Land gegangen sind und die Renaturierung immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Fläche ist weiterhin für die Allgemeinheit nicht zugänglich. Das heißt, diese Fläche kann seit den 50er Jahren von der Bevölkerung nicht zu Spaziergängen genutzt werden.
Auch beim aktuellen Steinbruch Lugenberg sieht man, dass ein Abbau wohl Zug um Zug mit großflächiger Renaturierung nicht möglich ist. Bei der Ortsbesichtigung hat uns die fehlende Renaturierung erschreckt.

Anmerken möchte ich noch, dass der Gemeinderat Walzbachtal erstmals seit vielen Jahren wieder die Möglichkeit hat, selbst eine Entscheidung zum Zementwerk zu treffen. Die letzten großen Veränderungen, wie beispielsweise die Erhöhung der Quote der Ersatzbrennstoffe bei der Verbrennung, hat das Regierungspräsidium Karlsruhe als hierfür entscheidende Behörde, nicht die Gemeinde Walzbachtal, gefällt.


Wir haben alle oben genannten Aspekte miteinander abgewogen und kommen
einmütig in der SPD-Fraktion zum Ergebnis, den Abbau nicht zuzulassen und damit die Erkundungsbohrungen im eigenen Wald nicht zu erlauben.

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